Route Napoléon: Alpen auf Französisch

Es war 1815 als Napoléon I von Elba das Mittelmeer überquerte und am Golfe-Juan bei Antibes französischen Boden betrat. In einem siebentägigen Gewaltmarsch legten seine Truppen eine Strecke von insgesamt 335 km zurück. Die Route führte über die Parfümstadt Grasse, Castellane, Sisteron und Gap nach Grenoble. Genau diese Strecke markiert heute auch die N85, die in Erinnerung an das Ereignis den Titel La Route Napoléon trägt. Ein interessantes Thema für eine Wohnmobil-Reise.

Der Weg ist das Ziel, sagt man unter Wohnmobil-Fahrern. Das merkten wir im Sommer 2019, als wir unseren Vantana qwuer durch die Alpen bis ans Mittelmeer lenkten. Es war einer der heißesten Sommer seit Jahren und wir wollten der berühmten Route Napoéon folgen. Zumindest streckenweise, denn schon bei der Reiseplanung wurde klar, dass wir zahlreiche Abstecher einplanen mussten, um die eine oder andere Sehenswürdigkeit in der Region mitzunehmen. In den Alpes de Savoie und den südlich daran angrenzenden Alpes-de-Haute-Provence gibt es wirklich eine Menge zu sehen. So viel, dass wir uns irgendwann entschlossen, das eine oder andere Highlight auszulassen, um nicht in Reisestress zu geraten.

Auftakt im Venedig des Nordens

Annecy ist ein wahres Schmuckstück inmitten einer grandiosen Bergkulisse. Am gleichnamigen See gelegen findet man hier eine malerische Altstadt vor, die von zahlreichen Kanälen durchzogen wird, über die mehrere Wasserläufe aus den Bergen in den See fließen. Im Juli 2019 herrschte hier allerdings ein denkbar niedriger Wasserstand, denn es hatte seit Wochen nicht mehr richtig geregnet.  Die Stadt war recht gut besucht und die Hoffnung auf einen verkehrsgünstigen Standplatz für das Mobil erwies sich als illusorisch.

Wir landeten schließlich auf dem Camping Municipal am Rande der Stadt. Der Platz ist sehr schön in einen Hang integriert und bietet eine herrliche Aussicht über die Stadt und den See. Zu Fuß ist es eine gute halbe Stunde bis zur Altstadt, was sich jedoch als ein angenehmer Spaziergang entlang der Seepromenade entpuppte. Die Stadt selbst lädt mit ihren zahlreichen malerischen Winkeln und den unzähligen Brücken zu einem ausgiebigen Spaziergang ein. Wenn man dabei an einem interessanten Restaurant vorbeikommt, sollte man gleich einen Tisch bestellen, sonst wird man abends feststellen, dass genau das es ist, was alle Franzosen machen. Die Küche ist deftig und wird vor allem von regionalen Produkten bestimmt.

Spät abends schafften wir es gerade noch bis zum Campingplatz, als ein gnadenloses Gewinner niederging und der Hitze des Tages erst mal ein abruptes Ende bereitete. Die Hagelkörner waren machten einen gewaltigen Lärm auf dem Fahrzeugdach und wir warteten eigentlich nur darauf, bis eines der Dachfenster durchschlagen wurde. Aber es hörte sich schlimmer an als es tatsächlich war und wir konnten am nächsten Morgen keine Schäden ausmachen.

Auf Passstraßen zur Alpenfestung

Eigentlich wollten wir am nächsten Tag die Autoroute nutzen, um den schnelleren der beiden Wege nach Briançon zu nehmen. Doch dann war plötzlich der Tunnel nach Italien gesperrt und wir machten wieder einmal die Erfahrung, dass Reisen mit dem Wohnmobil auch immer ein Stück Abenteuer ist. Auf der Karte sah die schmale Straße quer durch die Berge eigentlich recht harmlos aus. Am Ende führte sie über unzählige Serpentinen höher und immer höher, um dann auf der anderen Seite genauso abenteuerlich wieder nach unten zu führen.

Am Ende landeten wir auf einem kleinen Parkplatz am Col de Lautaret und beschlossen spontan, hier die Nacht zu verbringen. Es waren nur wenige andere Wohnmobile da und wir verbrachten eine sehr ruhige Nacht. Der Panoramablick, der sich am nächsten Morgen beim Öffnen der Jalousien des Mobils bot, war einfach grandios.

Bis zur Alpenfestung Briançon war es am nächsten Morgen nur noch rund eine Stunde und wir hatten ausgiebig Zeit für einen Stadtbummel durch die mittelalterliche Altstadt. Direkt am Fuß der Stadtmauer gibt es eine großen Parkplatz. Der hintere Teil ist für Reisemobile reserviert, die hier allerdings dicht an dicht stehen. Wir hatten Glück und fanden eine Lücke, die wir aber nur bis zum frühen Nachmittag nutzten. Briançon ist UNESCO Weltkulturerbe und die höchste Stadt Frankreichs. Wer den üblichen Touristenschnickschnack ausblenden kann, findet hier zahlreiche Gässchen, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.

Auf den Spuren der Dinosaurier

Als Nächstes war eine Wanderung in den Hautes-Alpes geplant. Doch den anvisierten Campingplatz gab es nicht mehr und nach einem Gespräch mit einem freundlichen Gendarmen landeten wir stattdessen weitab von jeder Zivilisation im Naturcamping De L’Iozard. Der Platz erwies sich als wahrer Glückstreffer und wir blieben gleich drei Tage dort. Er liegt mitten im Wald, umgeben von schroffen Felsmassiven und hat einen eigenen kleinen Badesee. Der Besitzer empfahl uns eine Bergtour zum Col du Cros, die sich als sehr anstrengend erwies, aber unvergessliche Ausblicke bot.

Die weitere Route führte vor allem entlang der Durance und nach stundenlanger Kurvenfahrt durch die Berglandschaft der Alpes-de-Haute-Provénce kamen wir schließlich nach Digne les Bains. Der Ort ist vor allem für seine Fossilienfunde bekannt. Sehenswert ist das Réserve Naturelle Géologique de Haute Provence, wo man neben zahlreichen versteinerte Pflanzen die Versteinerung eines 185 Millionen Jahre alten Ichthyosaurier besichtigen kann. Außerdem gibt es direkt an der D900A eine Ammonitenplatte mit unzähligen versteinerten Muscheln. Die Gegend ist Teil des UNESCO Géoparc de Haute Provénce mit interessanten Einblicken in die Erdgeschichte.

Jetzt ging es wieder zurück auf die Route Napoléon. Die Straße zieht sich eine kleine Ewigkeit hin und führt durch enge Schluchten und gewundene Bergpässe. Mehr als einmal zogen wir instinktiv die Köpfe ein, wenn wir in einen dieser nicht besonders großzügig dimensionierten Tunnels fuhren. Aber eigentlich ist das unbegründet, denn wo ausgewachsene Lastwagen durchkommen, dürfte so ein kompakter Kastenwagen eigentlich auch keine Probleme haben.

Gegen Abend erreichten wir schließlich Castellane. Der Ort ist eigentlich das Tor zu Kajaktouren durch die Gorges du Verdon und wir hatten vor, einen abenteuerlichen Wanderweg durch die Schlucht zu nehmen. Doch der Weg war leider gesperrt und so verbrachten wir einen entspannten Abend in dem kleinen Städtchen. In einem Hotel fragten wir den Portier, was denn das beste Restaurant am Ort sei und er schlug uns das Le Voute in der Rue de Mitan vor, das wir hiermit als kleinen Geheimtipp weiterempfehlen.

Ein netter kleiner Campingplatz nur wenige Schritte vom Marktplatz von Castellane entfernt ist Camping Frédéric Mistral. Ich spazierte früh morgens zu Fuß zur nächsten Boulangerie und wir starteten den Tag erst einmal mit einem ordentlichen Frühstück, bei dem natürlich ein noch warmes Baquette nicht fehlen durfte. Ich habe in Frankreich nie die Baquettes am Campingplatz gekauft, sondern bin mit dem Rad ins nächste Dorf gefahren.

In der Stadt des Parfüms

Das nächste Ziel auf der Route Napoléon hieß Grasse. Die Stadt ist vor allem durch ihre zahlreichen Parfümerien bekannt, die ihr Rohmaterial von den umliegenden Lavendelfeldern beziehen. Sie spielt auch in dem Buch „Das Perfüm“ von Patrick Süskind eine prominente Rolle. Das Buch  wurde auch in einem Kinofilm und in einer mehrteiligen Serie verfilmt.

In den engen Gassen der an einem steilen Hang klebenden Altstadt fühlt man sich schnell ein paar Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückversetzt. Man hat aber auch das Gefühl, mitten im Negreb zu sein, denn abseits der touristischen Pfade wird die Altstadt vor allem von Arabern bestimmt. Die Gassen sind eng und lassen sich nur zu Fuß erkunden. Man spürt aber auch einen gewissen Hauch des Verfalls und irgendwie nicht das Gefühl, in Frankreich zu sein. Ein Muss ist natürlich ein Besuch des Musée International de la Parfumerie. Wer ein paar Euro für eines der seltenen Levendel-Parfüms übrig hat, sollte auch die Parfumerie Galimard besuchen.

Es gibt am Rand der Altstadt einen kleinen Wohnmobil-Standplatz, der uns aber irgendwie nicht sicher erschien. Außerdem war er sehr eng und die Anfahrt recht abenteuerlich. Wir ließen daher das Fahrzeug am Gare SNCF stehen und besuchten die Stadt per Bus. Am Abend fuhren wir dann zum Camping La Paoute. Der großräumige Campingplatz liegt an einem Hang direkt an der Route de Cannes unterhalb von Grasse. Es gibt eine Snackbar, aber das Baquette zum Frühstück muss man sich im nahe gelegenen Supermarkt holen.

Endlich am Meer!

Von Grasse bis Antibes ist es nur noch ein Katzensprung und der Ausgangspunkt der Route Napoléon war erreicht. Wir kurvten eine Weile herum, bis wir einen geeigneten Parkplatz fanden und machten uns erst mal auf den Weg an den nächsten Strand. Antibes ist ein sehr schönes Hafenstädtchen, dessen schöne Altstadt wir bei einem ausgedehnten Spaziergang erkundeten. Als Kunstinteressierte ließen wir uns dabei natürlich das weltberühmte Picasso-Museum nicht entgehen.

Von Antibes Richtung Osten liegt eine der schönsten Regionen entlang der Mittelmeerküste. Die Fahrt ist zwar recht zeitraubend und führt über eine schmale und kurvenreiche Küstenstraße, aber die Ausblicke sind grandios. Da Cannes direkt auf dem Weg lag, gehörte natürlich auch ein Spaziergang auf dem Boulevard de la Croisette zum Programm, auch wenn das für uns nicht gerade der Traum eines Urlaubsorts ist. Aber unser eigentliches Etappenziel war ja auch die Calanque und so landeten wir nach einem anstrengenden Tag Kurvenfahrt schließlich in Cassis. Der familiäre Touristenort ist der Ausgangspunkt zum Besuch der versteckten Badebuchten der Calanque, die man nur über lange Fußwege oder vom Meer her erreichen kann. Für eine ausgiebige Wanderung durch die felsige Halbinsel war es uns zu heiß. Aber im Hafen von Cassis fahren laufend Ausflugsboote ab, die zumindest ein paar Einblicke vom Wasser her vermitteln.

Wir nutzen Wohnmobil-Standplätze eigentlich nur, wenn es nicht anders geht, oder wenn es sich gerade anbietet. Es macht einfach mehr Spaß in einer gepflegten Umgebung aufzuwachen, anstatt Blech an Blech mit all den anderen Wohnmobilen. Ein sehr schön gelegener Campingplatz auf einem Hügel über Cassis ist Camping Les Cigales. Es gibt einen kleinen Lebensmittelladen und die üblichen Einrichtungen zur Ver- und Entsorgung des Fahrzeugs. Direkt vor dem Platz hält ein Bus, der direkt ins Zentrum fährt. Auf dem Rückweg unbedingt den Fahrer fragen, ob er beim Camping hält, sonst landet man ganz schnell im falschen Bus.

Wo der Lavendel blüht

Von Cassis aus ging es wieder nach Norden und zwar zunächst nach Aix en Provénce. Der einst verkehrsreiche Cours Mirabeau ist heute eine verkehrsberuhigte Straße, an der unzählige Cafés zum  Verweilen einladen. Als Geburtsourt von Paul Césanne egibt es hier natürlich mehrere Adressen, die der Kunstliebhaber besuchen sollte. Doch leider war aktuell nur das Atelier geöffnet und das stellte sich als ziemliche Enttäuschung heraus. Wir mussten erst eine gute Stunde im Garten warten, bis unzählige Chinesen ihr Besuchsprogramm abgehakt hatten und wurden dann in kleinen Gruppen in die ehemalige Wirkungsstätte des Malers gelassen. Dort erwartet uns dann nicht mehr als ein Raum mit zahlreichen Skizzen und Malerutensilien, den wir schon nach fünf Minuten wieder verließen.

Interessanter war da schon das Klassik-Musikfestival, das gerade die Stadt bestimmte. Wir schafften es, in letzter Minute noch ein paar Karten zu ergattern und fanden uns am Abend im Grand Théâtre de Provence wieder. Der Konzertsaal ist ein einmaliges architektonisches Werk. Er ist fast vollständig in die Erde gebaut und öffnet sich nur zu einem schattigen Innenhof hin. Innen ist es trotz mediterraner Außentemperaturen angenehm kühl und wir erlebten ein hervorragendes Konzert, das nie auf unserem Reiseplan gestanden hatte. Das Wohnmobil stand währenddessen auf einem großzügigen Parkplatz beim Spielcasino.

Am nächsten Tag ging es dann zum letzten Highlight unserer Rundreise. Hatten wir schon in Grasse erste Berührungen mit Lavendelessenz gehabt, gab es auf dem Plateau de Valensole blühende Lavendelfelder bis zum Horizont. Wir hatten Glück und es war gerade Blütezeit. Der Lavendelduft lag schwer in der Luft und wirkte im Laufe der Zeit geradezu betäubend. Der Anblick der hat sich vermutlich für immer in unser Gedächtnis eingebrannt.

Wer in diese Gegend kommt, sollte den Camping Municipal Les Roches anfahren. Er liegt unterhalb von Saint Croix du Verdon, einem kleinen, malerischen Dorf oberhalb des gleichnamigen Stausees. Direkt unterhalb des Campingplatzes befindet sich ein öffentlicher Badestrand. Morgens bringt der Bäcker Baquettes und Croissants frisch aus dem Ofen.

Auf einige Streckenabschnitte der Route Napoléon, die wir auf der Hinweise ausgelassen hatten, stießen wir auf der Weiterfahrt nach Norden über Grenoble bis in die Schweiz. An einer Engstelle der Durance direkt gegenüber dem Felsen von Beaume liegt Sisteron. Die Stadt gilt als als Juwel der Haute-Provence und wir wollten sie auf keinen Fall auslassen.

Campingplätze gibt es in dieser Gegend keine. Aber direkt neben dem Bahnhof liegt ein größerer Parkplatz, von dem ein Teil für Wohnmobile reserviert ist. Da wir mit dem Zahlautomaten nicht klarkamen und der elektrische Anschluss ohnehin nicht funktionierte, haben wir eben „schwarz“ übernachtet und es hat sich niemand daran gestört.

Ein entspannter Spaziergang durch die malerische Altstadt mit ihren zahlreichen schattigen Plätzen und schmucken Brunnen bildete gewissermaßen den Schlusspunkt unserer Reise durch die Savoyer Alpen und die östliche Provénce. Hier konnten wir auch noch einmal richtig gut essen und diesen typisch provenzalischen Charme spüren, bevor eine weitere Reise zur Erinnerung wurde.