Nordirland: Alle Jahreszeiten an einem Tag

mobil&frei: Nordirland, Nordküste

Bei Nordirland denkt man noch immer an die IRA, die Streitigkeiten zwischen Katholiken und Protestanten und die Bombenanschläge in Belfast und Londonderry. Doch das alles ist längst Vergangenheit. Heute ist Nordirland eine aufstrebende Region und ein vielseitiges Reiseziel zwischen Schafen, historischen Orten, breiten Sandstränden und Triple Distilled Whiskey.

mobil&frei: Nordirland Wechselwetter„In Ireland you can have all seasons in one day,“ meint der Besitzer des Benone Caravan Parks in Limavady. Er hatte wohl unseren Kritischen Blick in Richtung der dunklen Wolken bemerkt, wie wieder einmal Regen ankündigten. Die Irländer nehmen eben das Leben mit Humor und lassen sich von ein paar Tropfen nicht aus der Ruhe bringen. Wie auch der Gärtner auf dem Campingplatz von Belfast, der sich lediglich seine Kapuze über den Kopf zog, als der Himmel beschloss, einen heftigen Regenguss von sich zu geben. Seine Arbeit hat er deswegen nicht eingestellt.

Mit anderen Worten: Wer auf blauen Himmel und sommerlichen Sonnenschein besteht, sollte Irland lieber nicht in die engere Wahl ziehen. Dennoch ist es gerade dieses wechselhafte Wetter, das den Reiz der grünen Insel ausmacht. Man darf eben kein Problem damit haben, wenn das Wetter ohne Übergang von tristem Grau in schönsten Sonnenschein wechselt. Den Menschen ist es egal. Den allgegenwärtigen Schafen auch. Also ließen auch wir uns nicht beeindrucken und hatten eben immer etwas Regenfestes zum Überziehen dabei.

Die Küste von Antrim soll der schönste Teil Irlands sein, hatten wir gelesen und können das vorbehaltlos bestätigen. Es muss viel Mühe gekostet haben, die schmale Küstenstraße in den knappen Platz zwischen den schroffen Felsen und der Irischen See zu fräsen. Das Fahren auf der „falschen“ Seite erschien uns schwieriger als es dann tatsächlich war. Die Iren sind nämlich eher gemütliche Autofahrer, unter denen man nicht so schnell ins Schwitzen kommt.

Wir waren mit der Fähre von Schottland gekommen. Nach einer aufmerksamen Durchsuchung des Wohnmobils durch die britische Polizei in Larne landeten wir direkt an der berühmten Coastal Road, die größtenteils der Küstenlinie folgt und die meisten Sehenswürdigkeiten Nordirlands miteinander verbindet.

Es macht einfach Spaß, durch die abwechslungsreiche Landschaft zu cruisen. Immer wieder ergeben sich atemberaubende Ausblicke auf das Meer, das hier nie zur Ruhe kommt und mit lautem Getöse auf die Felsküste trifft. Biegt man von der Küstenstraße ab, taucht man schon nach wenigen Kilometern in die Antrim Mountains und damit in eine völlig andere Welt ein. Eine gute Idee ist es, bei Waterfoot von der Coastal Road auf die A43 abzubiegen, um sich dann auf kleinen, gewundenen Sträßchen allmählich wieder zur Küste zurück zu bewegen.

Hier oben, mitten in den Glens von Nordirland beginnt man zu begreifen, was den Charakter dieses Landes ausmacht. Hier müssen sie wohnen, diese schrulligen Typen, die einfach Getreide nehmen, um daraus einen Whiskey zu destillieren und jahrelang in Bourbon-Fässern zu lagern bis sie ihn für reif genug halten.

mobil&frei: Wild campen in Nordirland

Ein Abstecher nach Torr Head führt nach einer magenbeunruhigenden Berg- und Talfahrt zu einem wahrlich überwältigenden Ausblick auf die Irische See. Die Straße ist sehr schmal und wir waren froh, dass uns niemand entgegenkam. Doch am Ende hatten wir einen Standplatz für die Nacht gefunden, von dem man als Wohnmobil-Fahrer nur träumen kann. Unser Tipp: Wer eine Nacht bei rauem Nordwestwind umgeben von tosendem Meer verbringen will, sollte dafür einen der beiden Parkplätze am Torr Head wählen. Schöner kann man es nicht genießen, im eigenen Hotel unterwegs zu sein.

Sehenswürdigkeiten, die man einfach kennen muss

Wirklich hautnah kann man die wilde Küste auf der Hängebrücke von Carrick-a-rede erleben. Aber Vorsicht: Der Weg zu einem kleinen Felsvorsprung führt über schwankende Bohlen 25 Meter über dem tosenden Meer. Die Überquerung ist zwar ungefährlich, aber wer zu Höhenangst neigt, sollte es sich genau überlegen. Wer sich überwinden kann, den erwartet auf der anderen Seite eine kleine Felseninsel hoch über dem Meer mit faszinierenden Ausblicken.

mobil&frei: Giant's Causeway, NordirlandEin Muss für jeden Nordirland-Besucher sind natürlich die weltweit einmaligen Gesteinsformationen des Giant's Causeway. Wer das ziemlich kommerzielle Visitor Center überlebt hat, gelangt in eine bizarre Felslandschaft, die zumindest ein paar Fotos wert ist. Es empfiehlt sich ein Besuch am frühen Vormittag, wenn die Landschaft noch nicht von den Touristenmassen geprägt ist, die hier in Reisebussen anlanden. Außerdem ist dann das Licht besser und man kann sehr schöne Aufnahmen von der seltsamen Steinlandschaft machen.

Nicht weit vom Giant's Causeway entfernt liegt die Old Bushmills Distillery. Schon der große Parkplatz lässt erkennen, dass man hier auf Besucher eingestellt ist. Zu sehen gibt es die antiken Produktionsanlagen und im Kontrast dazu die moderne Whiskey-Produktion. Lassen Sie sich hier zeigen, was einen echten Single Malt ausmacht und was den irischen Whiskey vom schottischen Whisky unterscheidet. Natürlich gibt es auch einen Pub, in dem man die unterschiedlich alten Malts probieren und vergleichen kann. Nehmen Sie sich hier ein Souvenir mit, ohne das niemand Irland verlassen sollte.

In Irland kann man nicht baden? Kann man doch! Wir haben es am längsten und schönsten Sandstrand Nordirlands ausprobiert - und das Mitte September! Auf einem langen Küstenstreifen westlich von Downhill parkt man das Wohnmobil direkt am Strand und hat die tosenden Wellen des Atlantiks vor sich, die dank Golfstrom selbst im Spätsommer noch überraschend warm sind. Wenn Sie die Atlantik-Brandung mit voller Intensität erleben wollen, dann hier. Die überzeugten Freisteher unter den Wohnmobil-Fahrern finden hier genau den richtigen Ort für eine Übernachtung der ganz romantischen Art.

Auch sonst bietet die Küste unzählige malerische Orte, um mal eine Nacht ganz allein in der Natur zu verbringen. Ganz anders die Städte. Wer eine Nacht in der typisch irischen Countryside verbringen will, sollte es in Cushendun tun. Auf einem kleinen Wohnmobil-Parkplatz direkt am Meer genießt man den direkten Blick auf die Irische See und hat Restaurant und Pub nur ein paar Schritte entfernt.

mobi&frei: Fremdenführer Garven in Derry, NordirlandEin völlig anderer Blick auf die Unruhen

In Derry, auch bekannt als Londonderry, begegneten wir Garven. Er führte uns auf einen Rundgang auf der Stadtmauer rund um die Walled City. Diese City Walking Tour dauerte mehr als eine Stunde und man erfährt viel über die Geschichte der Stadt, wo zur Zeit der großen Hungernot Millionen von Auswanderern an Bord der Dampfer gingen, die sie in die Neue Welt brachten. Garven kannte auch viele Geschichten über die Zeit der Auseinandersetzungen zwischen den katholischen Iren und den protestantischen Briten. So manches klang dabei völlig anders, als die Version, die man damals von den Medien vermittelt bekam. Es war nämlich durchaus kein Krieg zwischen den Anhängern unterschiedlicher christlicher Religionen, sondern ein Kampf der Iren gegen die britischen Besatzer. Wir begannen allmählich zu begreifen, welcher politische Irrsinn wirklich hinter den Unruhen steckt, die viele Jahre diesen Teil Irlands bestimmt haben.

Ein Tag voller Einblicke in Belfast

mobil&frei: Titanic-Museum in Belfast

In Belfast hatten wir uns mir Ken verabredet. Der Taxifahrer in fuhr uns direkt zu den „Trouble Spots“, wo auch heute noch Katholiken und Protestanten durch eine Mauer getrennt sind. Zwar ist es hier normalerweise ruhig, aber der alte Hass entzündet sich immer wieder und führt dann dazu, dass die großen Eisentore wieder geschlossen wurden, damit die Gegner nicht aufeinander losgehen können. Aber Ken zeigte uns auch die faszinierende Architektur an der Waterfront und wir erkannten, dass es eine gute Idee war, das aufstrebende neue Nordirland kennenzulernen.

Für Belfast sollte man sich zwei Tage Zeit nehmen. Ein Muss ist natürlich der Besuch des futuristischen Titanic Museums. In den Docks direkt nebenan wurde das seinerzeit modernste und angeblich sicherste Schiff er Welt gebaut, bevor es zu seiner Unglücksfahrt antrat. Das Museum selbst vermittelt einen eindrucksvollen Blick auf die legendäre Titanic, die seinerzeit als das das sicherste und eindrucksvollste Kreuzfahrt schiff galt. Rund um das Museum entsteht derzeit auf dem alten Hafengelände ein modernes Wohnquartier, das sinnbildlich für den Aufbruch Nordirlands in eine bessere Zukunft steht.

Besuchen Sie auch den Crown Liquor Saloon und bestellen Sie das traditionelle Guinnes mit Fish & Chips. Eine Anekdote am Rande: Während das Opernhaus direkt gegenüber vom Saloon mehrmals Ziel von IRA-Bombenanschlägen wurde, blieb der Saloon selbst während der gesamten Unruhen unberührt. Vor einem Pub mit alter Tradition haben Iren eben ganz einfach Respekt. So etwas zerstört man nicht. Ganz gleich, auf welcher Seite man steht.