Frankreich hinter der Maske, oder auch nicht

Eigentlich hatten wir die Pläne für unsere Tour quer durch Frankreich bereits aufgegeben. Das Land steckte noch voll in der Corona-Krise und war bis Mitte Juni 2020 nach außen voll abgeriegelt. Doch dann seh alles plötzlich ganz anders aus. Quasi über Nacht wurden alle Grenzen wieder geöffnet und selbst als Tourist durfte man wieder ungehindert in das Land einreisen. Was wir dann auch taten und interessante Unterschiede feststellten.

Viren waren schon immer ein Bestandteil unseres Lebens. Jedes Jahr ist ein neuer Grippevirus unterwegs, der niemand aufregt und der auch keinerlei Panik hervorruft. Eine 5-stellige Zahl an Todesfällen gehen regelmäßig auf sein Konto. Doch jeder Arzt weiß, dass zwar jeder eine Grippe bekommen kann, aber man muss körperlich schon extrem schwach sein, um daran zu sterben. Deshalb sagt man Menschen mit ernsthaften Erkrankungen schon seit Jahren, sie sollen sich vor dem Kontakt mit Verwandten fernhalten, die Grippesymptome zeigen. Wer das nicht tut, der muss eben damit rechnen, dass sein Körper dem alljährlichen Grippevirus nicht standhalten kann. Genauso geht es jedem, der sein Leben lang hemmungslos geraucht und gesoffen hat und am Ende in einem körperlichen Zustand ist, bei dem jede Virusgrippe das Ende bedeuten kann. 

Covid 19 ist durchaus kein Killervirus. Aber wer bereits in einem körperlich bedenklichen Zustand ist, sollte sich besser davor schützen. Alle anderen können zwar auch krank werden, aber das meist ohne dramatische Folgen. Weshalb trotzdem die ganze Welt im Panikmodus ist, hat viel mit Überreaktionen bis hin zur Hysterie und vielleicht auch mit politischen Motiven zu tun. Und mit einem Gesundheitssystem, das erst auf Geheiß der EU privatisiert und dann auf Wirtschaftlichkeit getrimmt wurde und seither mit überlasteten Ärzten und übermüdeten Schwestern arbeitet. Kurzfristige Belastungsspitzen sind eben in so einem Geschäftsmodell nicht mehr drin. Kapazitäten verursachen eben Kosten und die will in einem kommerziell orientierten Krankenhaus niemand mehr tragen. Noch im Herbst 2019 hat daher der deutsche Gesundheitsminister verkündet, man müsse die Krankenhäuser effizienter machen und alle, die sich nicht wirtschaftlich betreiben lassen, komplett schließen. 

Es ist übrigens derselbe Gesundheitsminister, der noch im März tönte, Masken seien eine völlig unnötige Schutzmaßnahme, um dann nur einen Monat später genau das Gegenteil zu sagen. Seitdem werden Geschäfte gezwungen, Kunden nur noch mit Maske in den Laden zu lassen und nicht wenige Menschen glauben allen Ernstes, dass alle Mitbürger, die das nicht mitmachen wollen, potenzielle Mörder sind. 

Das ist in Deutschland so und das ist auch in Frankreich nicht viel anders. Doch Franzosen haben einen anderen Willen zur persönlichen Freiheit, als die Menschen hierzulande. Und ihre Bereitschaft, sich gegen zweifelhafte Einschränkungen ihres Lebens aufzulehnen ist deutlich höher ausgeprägt. 

Wie fast immer, wenn ich mit dem Wohnmobil mal wieder Frankreich ansteuere, lande ich als Erstes auf dem Porte de Lyon. Das ist ein Campingplatz direkt neben der A6, der sich ideal für einen Zwischenstopp auf dem Weg in den Süden oder Westen des Landes eignet. An der Rezeption klebten dieselben Zettel, die mir später immer wieder begegnen sollten. Es wurde um Abstand gebeten und man solle beim Betreten der Rezeption eine Maske aufziehen. Außerdem gab es eine separate Tür für den Eingang und eine andere für den Ausgang, damit man sich ja nicht zu nahe kommt. Doch es gab auch erkennbare Unterschiede.

Vor mir standen bereits drei andere Wohnmobile, die hier übernachten wollten. Folglich reihten sich vor der Rezeption bereits mehrere Menschen, um einer nach dem anderen einzutreten und sich einen Platz zuweisen zu lassen. Einer davon trug eine Maske. Es war ein Deutscher. Von Sicherheitsabstand keine Spur. Das Mädchen am Empfang war zwar auch maskiert, aber das Ding war ihr bis zum Kinn heruntergerutscht und sie schien es irgendwie nur proforma zu tragen. Wie gesagt, Franzosen lassen sich nicht alles vorschreiben.

Genau dasselbe Bild wiederholte sich auf jedem anderen Campingplatz auf unserer 3-wöchigen Reise. Ob ich morgens im Shop „une Baquette et deux Croissants“ einkaufte oder abends in einem kleinen Restaurant essen ging, man sah zwar vereinzelt Masken tragende Menschen, aber sie waren ganz eindeutig in der Minderheit. Nur in der Wistub Brenner in Colmar, wo man eine hervorragende Elsässer Küche genießen kann, bat man uns am Zugang zur Außengastronomie, eine Maske anzuziehen. „Für den Weg bis zum Tisch“ hieß es mit einem Augenzwinkern: „Danach können Sie sie wieder abnehmen.“ Auch dem Chef des Hauses schien die Sinnlosigkeit seiner Forderung bewusst zu sein. 

Ganz anders ging es in den staatlichen Institutionen des Landes zu, wozu auch die Museen zählen. Im Musée Goya in Castres wurde ich von einer ziemlich gelangweilt wirkenden älteren Dame ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es ohne Maske keinen Einlass geben würde. Dass es im Inneren der düsteren Hallen nur drei unbedeutende Bilder von Goya gab, verschwieg sie mir. Unser Besuch dauerte dann auch nur wenige Minuten und wir marschierten unmaskiert durch die Eingangshalle nach draußen. 

Genauso war es im Musée Natioanl de Préhistoire in Les Eyzies-de-Tayac, wo man einen Haufen Knochen bewundern kann, die man in der Gegend aus der Erde geholt hatte. Dort herrschte nicht nur Maskenpflicht, die sogar weitgehend eingehalten wurde. Man wurde auch gefilzt und muste durch einen Scanner wie auf dem Flughafen. 

Bei meiner letzten Reise in die Gegend vor rund 30 Jahren konnte man dort noch die Höhlen oben in den Felsen besuchen, die unsere Vorfahren als Wohnung benutzt hatten. Mittlerweile bleiben die prähistorischen Orte dem allgemeinen Publikumsverkehr verschlossen. Auch die Grotte du Lascaux ist mittlerweile für den Publikumsverkehr geschlossen. Stattdessen muss man viel Eintritt für ein Museum bezahlen, in dem man dann eine Nachbildung des Originals bewundern kann. Natürlich auch mit Maske. Aber ohne uns.

Natürlich gibt es auch in Frankreich Leute, die vermutlich zu viel ferngesehen haben und sich entsprechend hysterisch verhalten. Die tragen auch auf der Straße eine Maske, ohne sich die Frage zu stellen, weshalb es eigentlich all die anderen nicht tun. Ganz gleich ob in touristisch überlaufenen Orten wie der Cité von Carcassonne oder in den vielen kleinen verträumten Städtchen, Menschen mit Masken sieht man eigentlich im Monat sieben nach Corona nur noch ganz vereinzelt. Und wenn, dann sind es alte Frauen, die vermutlich irgendwo gehört haben, dass es vor allem sie sind, die zur Risiko-Zielgruppe gehören. 

Ich sah allerdings auch vereinzelte Radfahrer mit Maske, allerdings nicht einen einzigen der zahlreichen Rennradler, die sich über die Passstraßen in den Pyrenäen quälen. An der Cirque de Gavarnie im alpinen westlichen Teil der Pyrenäen begegnete mir sogar ein maskierter Wanderer. Welche Gefahr der in der Gebirgsluft vermutete, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. 

Ein ziemlich lächerliches Spiel veranstaltete die französische Eisenbahn SNCF. Villefranche-de-Conflent ist ein Endbahnhof des kleinen gelben Zuges, mit dem man quer durch die Pyrenäen bis nach Spanien fahren kann. Fahrkarten für den Petit Train Jaune gibt es nur am Tag der Abreise und schon eine Stunde vorher herrscht in dem kleinen Bahnhof reger Betrieb. Entspannt, wie wir mittlerweile geworden waren, hatten wir natürlich keine Maske auf. Aber ein junger Bahnbediensteter machte uns freundlich darauf aufmerksam, dass auf dem Bahnhofsgelände Maskenpflicht herrsche und ich mich doch bitte dran halten solle. Ich spannte mir also das Ding zwischen die Ohren, bis ich die Tickets gekauft hatte. Auf dem Bahnsteig setzte ich es dann wieder ab und befand mich dabei in guter Gesellschaft der übrigen Touristen, die sich ebenfalls die Fahrt durch gefühlt Hunderte von Brücken und Tunnels gönnen wollten. Später saßen wir in einem offenen Wagen und genossen den frischen Fahrtwind. Am Anfang trug vielleicht die Hälfte der vor und hinter uns sitzenden eine Maske. Nach einer halben Stunde war es ihnen dann wohl doch zu blöd und man konnte wieder Menschen als Menschen wahrnehmen.